Wehret den Anfängen!
Administrativer und politischer Aktionismus will Alt-Kaiserswerth „platt“ sanieren:
- durch „Neugestaltung“ des historischen Ortskerns zu einer modernen „shared space“ - Geschäfts-Meile, wie sie überall zu finden sind, mit der zwangsläufigen Folge einer Abholzung der Kastanienallee,
- durch „Baumlos-Sanierung des Burgwalls an der Kaiserpfalz mittels „Deichertüchtigungsmaßnahmen“, die nach eigenen Angaben der Verwaltung dazu führen, „dass das Naturdenkmal - Lindenallee auf dem Burgwall langfristig entfallen würde.“
Kaiserswerth ist ein Ort, wie es ihn heute kaum noch gibt, wo alles stimmt so wie es ist, ein Ort des harmonischen Zusammenspiels von Fluss und Landschaft, von Kirche und Stadt, von Natur und Kultur, von Geschichte und Gegenwart, ein seltenes, ein kostbares Kleinod, ein menschliches Refugium, wo Sehnsucht nach Schönheit und Frieden Ruhe findet:
„Wenn die Welt mit lautem Wesen
Herz und Sinn mir beschwert,
Kann von Sorgen ich genesen
Hier im stillen Kaiserswerth“ (Heinz Steves)
Auch dieser Ort, wo jede strukturelle Veränderung nur zu einer Verschlechterung führen kann, soll jetzt gleichmacherisch „modernisiert“ und um das beraubt werden, was seine Eigenart ausmacht: den alten Markt mit Kopfsteinpflaster und Kastanienallee und die alte Lindenallee an der uralten Kaiserpfalz mit dem Haus Freiheit des Dichters Eulenberg und dem Burghof. Diese beiden Ansichten Kaiserswerths, die am Ufer der Rheins jenes Ensemble bilden, das Anspruch erhebt, Weltkulturerbe zu sein, wären ohne Bäume nicht vorstellbar! Sollen und wollen wir tatenlos zusehen, wie wegen nicht ganz durchsichtiger wirtschaftlicher Interessen versucht wird, unsere Geschichte, unsere Identität und unserer Wohlbefinden, an diesem Ort leben zu können, in den Abfalleimer der Moderne zu werfen?
Kahlschlag-Modernisierung am Kaiserswerther Markt
Die Schatten spendenden Bäume der Kastanien-Allee am Markt stehen entgegen allen Beteuerungen der Behörden in Gefahr des Verschwindens: Sie stehen dem Interesse an einer Total-Kommerzialisierung des historischen Altstadt- Zentrums im Wege. Manche möchten am liebsten eine „moderne“ Amüsier- und Shopping-Meile vom Klemensplatz bis zum Rhein installieren. Solche Gedanken werden von politischen Parteien aus wahltaktischen Gründen aufgegriffen und zu einem politischen Handlungskonzept konkretisiert, das auf eine komplette „Neugestaltung des Marktes“ zielt - entweder auf eine „intelligente Verkehrsberuhigung“ oder auf Beseitigung der Bürgersteige unter dem schönen Namen „shared space“. Als Vorbild dient die „Modernisierung“ des Klemensplatzes: Dort „stören“ keine Bäume die Sichtbarkeit und Anziehungskraft der Biertische! Das wird so deutlich nicht gesagt. Vielmehr wird vorgeschoben, dass die Bürgersteige und der Kiesbelag auf der Allee nicht „seniorengerecht“ seien, es also einer Neu-Pflasterung ohne Bürgersteige bedürfe. Auch die „Semiorengerechtigkeit“ ist Heuchelei:
Das „shared space“ Konzept, die neoliberale Idee einer „Gemeinschaftsstraße für alle, die sich im Verkehr selbst behaupten können, ob jung oder alt , geht von der Möglichkeit eines konfliktfreien, deregulierten Nebeneinanders aller Verkehrsteilnehmer in einem gemeinsamen Strassenbereich aus, der nicht durch Bürgersteige oder Verkehrsschilder eingeschränkt wird. Im Mit- und Gegeneinander sollen alle gleichberechtigt sein: Ältere Geh- und Sehbehinderte, jugendliche Autofahrer, Fußgänger und Radfahrern, Kinder, Müttern mit einem Baby im Arm oder im Wagen, Rollstuhlfahrer und Rollerblades, Skateboardfahrer und Lieferwagen. Die Deutsche Verkehrswacht spricht klar aus, um was es sich handelt:: eine einseitige Benachteiligung und Gefährdung der „mobilitätsschwachen Bevölkerung“:
Verkehrssicherheit und Verkehrsqualität insbesondere für Kinder, Senioren und mobilitätseingeschränkte Personen werden von „shared space“ deutlich verschlechtert.
( http://www.deutsche-verkehrswacht.de/home/themen-und-positionen.html )
Wenn für ein solches Luxusvorhaben zur Verstärkung solcher Art von „Verkehrsfreiheit“ auf Kosten von Mobilitätsbehinderten Geld vorhanden ist, dann wird die Allee auf das tieferliegende Niveau der Verkehrsstraße abgesenkt. Damit wird den flachwurzelnden Kastanien jede Lebenschance genommen. Sie werden absterben und dann endlich ist die Bahn frei! Die Befürworter einer solchen Gestaltung, sehen darin keinen Nachteil. Sie pochen darauf, dass eine Abholzung ja nur den „ursprünglichen“ Zustand des Marktes wiederherstellen würde. Anscheinend sollen wir ins Mittelalter zurückkatapultiert werden, in eine Zeit, in der die Bürger vor reitenden Herren und Dreck schleudernden Kutschen noch keine Sicherheit auf dem Bürgersteig fanden.
Wir haben nicht einmal mehr Mittel zur Reparatur von Straßenlöchern. In Kaiserswerth aber glauben Politik und Verwaltung sich eine komplette, völlig überflüssige und unnötige Neugestaltung des historischen Ortskerns leisten zu können! Dafür stünden Mittel aus Brüssel zur Verfügung, weil „shares space“ ein EU- Projekt sei. Dies Chance gelte es zugunsten der anliegenden Gastwirtschaften und der Geschäfte zu nutzen! Dass auch dann die Anliegerbeiträge für das, was die Anlieger nicht wollen, erhöht werden müssten, wird verschwiegen. Um der „Notwendigkeit“ des Nicht-Notwendigen und Unverantwortbaren Nachdruck zu verleihe, wird daher versucht, den Leuten Angst zu machen: Es wird das Märchen vom kaiserswerther „Geschäftesterben“ in die Welt gesetzt: Nur durch „zugangsfördernde Marktgestaltungsmassnahmen“ könne diese Gefahr gebannt werden. Auch diese Mär ist eine schlichte Lüge.
Abholzung der Burgallee wegen „Deichsanierung“
Auch bei den Vorbereitungen zur „Weiterführung“ der „Deich-Sanierung“ im historischen Kern von Kaiserswerth herrscht Kahlschlagmentalität . Um diese Planung zu begründen, wird Angst vor einem „Deichbruch“ inszeniert. Die Standsicherungs-Maßnahmen“, die im Bereich der Burgallee mit ihrem wertvollen Lindenbaumbestand und in ihrer Verlängerung „An St. Swidbert“ bis hin zum Rondel mit der Skulptur von Friedrich Werthmann durchgeführt werden sollen, seien notwendig, um Kaiserswerth vor Überflutung durch den Rhein zu schützen. Dass die „Deich-Ertüchtigungsmaßnahmen“ das einmalige Ensemble dieses historischen, rheinischen Kultur- und Naturerbes unwiederbringlich zerstören würden, stört vielleicht das Gartenamt und den Denkmalschutz, aber nicht den zuständigen Deichgrafen. Der beruft sich zur Rechtfertigung der Vernichtung des geschützten Natur-Denkmal „Lindenallee“ auf geltende Verwaltungsvorschriften:
Die Deichschutzverordnung untersagt Baumpflanzungen im Bereich von Hochwasserschutzanlagen. Das Düsseldorfer Gartenamt wurde daher schon 2005 von der Bezirksregierung aufgefordert, „die in den letzten drei Jahren erfolgten Baumnachpflanzungen im Bereich der Lindenallee auf dem Burgwall wieder zu entfernen. Auch nach zukünftigen Fällungen dürfen keine Ersatzpflanzungen mehr durchgeführt werden. Das hätte zur Folge, dass das im Landschaftsplan festgesetzte Naturdenkmal - Lindenallee auf dem Burgwall - langfristig entfallen würde.“2
Der Regierungspräsident hat bestätigt, dass im Bereich der Burgallee „mittelfristig“ eine „Sanierung wegen Standsicherheitsproblemen“ erforderlich sei. Aus seinem Hause ist zu hören, dass die Standsicherheit des Deiches gefährdet sei, weil das Wurzelwerk der Allee-Bäume den Damm zerstöre.
Auch diese Behauptungen sind unzutreffend. Mit dem gleichen Argument wollte man bereits in Neuss einen seit 65 Jahren mit den Bäumen einer Kastanienallee bewehrten Rheindeich zu Fall bringen. Doch die Bürger haben sich gewehrt und konnten gutachtlich nachweisen: Baumwurzeln sind ein zugbelastbares Bauteil und verstärken die Widerstandskraft des Deiches gegen Zug und Druck des Hochwassers3 . Die anders lautende DIN-Vorschrift stammt historisch von der „Waterkant“: Salzwasser zerstört in der Tat Wurzelwerk, das dann die Standsicherheit gefährden könnte- Im Rhein aber schwimmen Süßwasser-Fische! Diesem Argument musste sich die Verwaltung beugen. Allee und Deich stehen noch heute.
Katastrophale Folgen für Kaiserswerth:
Für Kaiserswerth und seine Bürger hätten die Abholzungsaktionen katastrophale Folgen:- Verlust eines im Rheinland einmaligen Kultur-Naturensembles, das uns im Fluss des gleichförmigen Allerlei globaler McDonaldisierung geschichtliche Identität stiftet und sichert.
- Verlust an nationaler wie internationaler Attraktivität nicht nur für Spaziergänger, Besucher, Touristen, sondern auch für Neuansiedler (Internationale Schule) Grundstücksinteressenten und Wohnungssuchende. (Müssen wir erst ins europäische Ausland fahren, um noch urbane und natürliche Schönheit und Geschichtsträchtigkeit eines alten, nicht-modernisierten Kulturerbes auf Kopfsteinpflaster genießen zu können? (Vergl hierzu in der Anlage: J.C. Bourgueil: Mein Kaiserswerth)
- Die unverantwortliche und unwiederbringliche Zerstörung der Biotope, die sich in den Kastanien- und Lindenbäume, die bis zu tausend Jahre alt werden können, gebildet haben: eine Lebensymbiose von Vögeln, Bienen, Käfern, Baumkronen und Lindenblüten.
- Verlust an Wohn- und Lebensqualität für alle Kaiserswerther, die hier arbeiten und leben und in Ruhe gelassen werden wollen von marktschreierischer Betriebsamkeit und Profitspekulanten.
Der wahre Grund, warum einzelne Behörden und Interessenten ohne Notwendigkeit „Sanierungsaktivitäten“ vorantreiben und dazu Angst vor „Überflutung“ oder „Geschäftesterben“ schüren, liegt nicht offen zutage. Fest steht nur:
- Im Haushalt NRW stehen 60 Mio € für Deichsanierung zur Verfügung. Obwohl in den Kassen der Kommunen Geld selbst für die Beseitigung der Frostschäden auf den Straßen fehlt, scheinen für „shared space-Projekte Sondertöpfe bereit zu stehen Davon möchte natürlich auch Düsseldorf und die Bauwirtschaft profitieren.
- Eine Sanierung der Deiche könnte neue Baulandflächen in der Nähe des Rheins erschließen. Deswegen plädieren neben Bauunternehmen auch Bauspekulanten für eine „Deichertüchtigung“
- Gastwirtschaften am Kaiserswerther Markt möchten „chancengleich“ mit dem Klemensplatz gestellt werden.
Angesichts leerer öffentlicher Kassen und hoher staatlicher und kommunaler Verschuldung sollte in erster Linie gespart werden. Haushaltsmittel können in dieser Situation, an der auch noch unsere Kinder lange zutragen haben, nur für Projekte in Anspruch genommen werden, die der Beseitigung unmittelbarer Notstände dienen, zum Beispiel
- für notleidende Menschen und notleidende Stadtviertel
- intelligente Maßnahmen zur Beseitigung der Parkplatznöte in Kaiserswerth
- für die Einrichtung eines Jugendzentrums für 15- bis 18-jährige(Lesen, Musik, Handwerken, Sport ) in Zusammenarbeit mit den Kirchen
Nicht notwendig, aber zukunftweisend für die Entwicklung von Kaiserswerth wäre eine stadtplanerische, attraktive Ausgestaltung der Schiffsanlegestelle (bis hin zur Planung eines kleinen Flusshafens, wie ihn bereits die Römer hier angelegt hatten.)
In Kaiserswerth soll zu Gunsten einiger Interessenten unverantwortlich und ohne Not-wendigkeit Geld „auf den Markt“ geworfen werden. Dazu sagen wir „nein!“ Kein Cent höhere Anliegerbeiträge für „Verschönerungsmaßnahmen“! Lasst die Finger von unseren Kulturgütern und setzt das Geld, das den Bürgern gehört, dort ein, wo es nötig ist !
Wir werden die Entwicklung weiter verfolgen und zunächst eine Unterschriftenaktion starten. Gegebenenfalls werden wir weitere und noch andere Protestschritte einleiten, gerichtlicher wie außergerichtlicher Art.
Für die
Kaiserswerther Initiative in Gründung
Thomas Eulenberg und Peter Kienitz
1 Ö Vorlagen - Nr. 175 129/2005 für die Sitzung der Beziksvertretung 5 am 29.11.2005
Garten-, Friedhofs- und Forstamt, Dezernentin : Beigeordnete Nieß-Mache
2 Ö Vorlagen - Nr. 175 129/2005 für die Sitzung der Beziksvertretung 5 am 29.11.2005
Garten-, Friedhofs- und Forstamt, Dezernentin : Beigeordnete Nieß-Mache
3 . Wessolly · Rosskastanienallee auf einem Rheindeich: Wechselwirkungen und Sicherheiten, baumstatik.sag@t-online.de ittelwaldstraße 22,70195 Stuttgart